Managen von Bedarfsänderungen in letzter Minute

Bedarfsorientierte Fertigung

Die aktuelle Realität zwingt uns, sich neuen unsicheren Marktsituationen zu stellen. Es ist abzusehen, dass in den nächsten Monaten Bedarfe und Nachfragen nicht den bekannten Logiken folgen werden, sondern in Abhängigkeit von der Entwicklung des Virus im jeweiligen Markt sehr unterschiedlich sein können. Es ist wichtig, das zu erkennen und Möglichkeiten zu finden, die Lieferkette den veränderten Bedingungen anzupassen.

Um agiler zu werden, müssen Unternehmen Nachfrageschwankungen zeitnah abfangen und die Reaktionsfähigkeit über die gesamte Lieferkette erhöhen. Was bedeutet das?

Wie bereits im Artikel „7 Tipps zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit in der Lieferkette während der Covid-Pandemie“ beschrieben, verfügen Unternehmen über mehrere Möglichkeiten bei Bedarfsschwankungen ihre Reaktionsfähigkeit zu verbessern, z.B. durch Nutzung von Distributionszentren als Kapazitätspuffer oder durch Nutzung von Allokationstools, basierend auf Kosten-Nutzen-Analysen, um Kanäle, Märkte bzw. Kunden zu priorisieren.

Darüber hinaus gewinnt die Vernetzung von Planung und Durchführung immer mehr an Bedeutung, denn erst dies ermöglicht eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf Nachfrageschwankungen in letzter Minute sowohl in der Produktion als auch im Einkauf. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen ist dabei die Synchronisation von Beschaffung und Herstellung: das bedeutet, erstens ein abgestimmtes und koordiniertes Management von Lieferantennetzwerken und zweitens von Produktionsnetzwerken. Viele Unternehmen sind heute über globale Liefernetzwerke mit Kunden, Lieferanten und Produktionsstätten in verschiedenen Ländern verbunden, was die Synchronisation erschwert.

Bedarfsorientierte Fertigung, das ist das aktuelle Schlagwort und definiert den Prozess, der die Produktion durch bestätigte Kundenaufträge und nicht durch Umsatzprognosen steuert. Deshalb ist eine Vernetzung der Informationen zwischen Nachfrage, Produktion und Lieferanten von absoluter Wichtigkeit, um Planung, Produktion und Umplanung dynamisch zu steuern.

Betrachten wir einige Punkte:

  • Schaffung von Zwischenlagern für kritische Produkte: Eine strategische Neuausrichtung für Zwischenlager, die Flexibilisierung von Sicherheitsbeständen und eine dynamische Anpassung von Nachschubplänen – unter Berücksichtigung von Auftragsbestand, Prognosen, Trends und Marktschwankungen – sind erste Schritte, um Vorlaufzeiten zur Produktherstellung zu reduzieren und schneller auf Bedarfsschwankungen zu reagieren.
  • Priorisierung von Aufträgen und Planung auf begrenzte Kapazität: Heuristische Algorithmen ermöglichen die Produktionsreihenfolge (freigegebene und vorgeschlagene Aufträge) anhand freier Parameter zu steuern. Produktionsreihenfolgen festzulegen bedeutet, Parametern Prioritäten entsprechend verschiedener Kriterien zuzuweisen, wie  beispielsweise Lieferdatum oder -zeitraum, Artikel-/Gruppenpriorität, Produktionszeit, Auswahl an Produktionsalternativen, Markt-/Kundenmerkmale, Zuverlässigkeit von Zulieferungen usw.
  • Verkürzung von Sperrfristen (Frozen Period – Zeitraum, in dem keine Terminierungsänderung mehr erfolgen kann): Je kürzer dieser Zeitraum ist, umso besser sind Flexibilität,  Agilität  und  Reaktionsfähigkeit des Unternehmens gegenüber den Kunden.
  • Austauschbarkeit von Arbeitskräften und schnelle Umrüstung der Produktionslinien: Produktionslinien in kürzester Zeit umrüsten zu können, ermöglicht es Unternehmen, sich jederzeit auf die umsatzstärksten und meistverkauften Produkte zu konzentrieren und  Umsatzeinbußen zu vermeiden.
  • Transparenz über Produktionsfortschritt: Zuverlässige und exakte Informationen von Werken und Lieferanten verschaffen einen genauen Überblick über den Arbeitsfortschritt (WIP).
  • Vernetzung mit wichtigen Lieferanten: Der transparente Austausch von Lieferplänen erlaubt es Unternehmen, die Lieferketten den Kundennachfragen entsprechend anzupassen und strategische Lagerbestände für wichtige Produkte mit längeren Lieferzeiten zu definieren.

Den Unternehmen müssen Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um zeitnah bei Änderungen von Lieferprioritäten, Absatzprognosen sowie bei Liefer- und  Produktionsverzögerungen mit geeigneten Maßnahmen reagieren zu können.

Informationssysteme müssen die Abstimmung der Materialflüsse zwischen den Partnern im Netzwerk sicherstellen (z.B. durch Synchronisation vor- und nachgelagerter Prozesse, um unnötige Produktionserhöhungen und die Bildung von Überbeständen zu vermeiden). Die Einführung von IT-Systemen kann schrittweise mit unterschiedlichem Integrations-/Automatisierungsgrad je nach den jeweiligen Erfordernissen des betreffenden Umfeldes erfolgen.

Erforderlich sind geeignete Werkzeuge zur Steuerung von Nachfrage, Planung, Terminierung sowie Produktions- und Lieferkontrolle. Alle müssen mit dem ERP-System des Unternehmens verbunden werden können, um einen echten Mehrwert zu erzielen.

Hier einige Grundprinzipien einer bedarfsgesteuerten Struktur:

  • Das Bedarfsmanagementsystem berücksichtigt erhöhte Bestellungen/Verkäufe und generiert neue Prognosen, auch  mehrmals täglich.
  • Das Bestandsmanagementsystem erlaubt ein dynamisches managen von Zwischenlagern und Nachschubplänen
  • Das Planungssystem filtert Aufträge mit begrenzter Kapazität vor dem Start der Bedarfsplanung heraus. Die Arbeit mit einem zu 80-90% realisierbaren Plan ist definitiv besser, als den Planer mit einem Fertigungsauftragsportfolio zu versorgen, das mit unbegrenzter Kapazität erstellt wurde!
  • Der Werksplaner arbeitet ausschließlich mit den vom MRP-System generierten und freigegebenen Aufträgen: Ziel ist die Erstellung eines kurzfristigen Detailplanes unter Berücksichtigung von Einschränkungen, Optimierungsregeln und der Echtzeitsituation in Produktion und bei den Lieferanten.
  • Das Produktionsfortschrittssystem (MES) integriert Echtzeitinformationen zum Auftragsstatus sowie zu Verzögerungen und/oder Mängeln, um eine Synchronisierung mit den anderen Ebenen zu ermöglichen, die Transparenz zu erhöhen und um auf unvorhersehbare Ereignisse zu reagieren.
  • Das Lieferantenmanagementsystem bietet ebenfalls bessere Transparenz, um auf Verzögerungen und Ausfälle von Lieferanten zu reagieren und alternative Wege zur Auftragserfüllung zu finden.

 

 

Die Interoperabilität der verschiedenen Systeme spielt eine zentrale Rolle, um den Informationsaustausch zwischen Abteilungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu gewährleisten, da Last-Minute-Abweichungen täglich durch Kosten-Nutzen-Analysen betrachtet und zwischen den verschiedenen Beteiligten und Systemen ausgetauscht werden.

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